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Weil er im falschen Kanton wohnte: Ständerat Simon Stocker abgewählt

Weil er im falschen Kanton wohnte: Ständerat Simon Stocker abgewählt

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Knall in Schaffhausen. Das Schweizer Staatsfernsehen SRF spricht sogar von einem „juristischem Paukenschlag“.

Der Schaffhauser SPStänderat Simon Stocker ist nicht mehr Ständerat.

Im Winter gewann er 2023 nach einem überraschenden Wahlsieg gegen das Urgestein Thomas Minder.

Nun hob das Bundesgericht seine Wahl auf.

Es macht im Urteil deutlich, daß Stocker die Wählbarkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt hat.

Das Bundesgericht hebt demokratische Entscheide in der Regel nur mit äußerster Zurückhaltung auf, doch nun enthebt es per Urteil einen Ständerat wegen einem falschen Wohnsitz seines Amtes, das er seit 2023 ausübt.

Denn der Schaffhauser SP-Politiker habe zum Zeitpunkt der Wahl seinen Wohnsitz nicht in Schaffhausen, sondern in Zürich gehabt.

Neuwahlen angesetzt

Das Bundesgericht kassierte damit auch ein Urteil des Schaffhauser Obergerichts. Dieses fand, es genügte, daß Stocker eine kleine Wohnung gemietet habe und in Schaffhausen Steuern bezahle, dort seinen Steuersitz angemeldet habe.

Doch Wohnsitz sei dort, wo man seinen Lebensmittelpunkt habe, so das Bundesgericht. Und nicht, wo man sich pro forma anmelde.

Der Schaffhauser Regierungsrat hat die nötige Neuwahl am 29. Juni angesetzt.

Pikant

Pikante Fußnote: Minder war es, der als Politiker dagegen kämpfte, daß z. B. Emmi Produkte als Schweizer Produkte verkaufte, die gar nicht in der Schweiz hergestellt wurden. Als Inhaber einer Schweizer Firma machte er sich dafür stark, daß wenigstens die überwiegende Wertschöpfung bei der Produktion in der Schweiz erfolgen muß wenn sich ein Produkt das Etikett der Swißneß anheften will.

Seit dem 1. Januar 2017 ist demzufolge die sogenannte Swißneß-Gesetzgebung in kraft. Sie hat zum Ziel, schweizerische Herkunftsangaben und die Verwendung des Schweizerkreuzes besser zu schützen und Mißbrauch zu verhindern.

Eine schweizerische Herkunftsangabe ist für ein Lebensmittel etwa nur dann zulässig, wenn strenge Kriterien und Anforderungen erfüllt sind, erläutert das Bundesamt für Landwirtschaft:

  • Mindestens 80% der Rohstoffe stammen aus der Schweiz (bei Milch und Milchprodukten müssen es sogar 100% sein). Ausnahmen gibt es natürlich für Naturprodukte, welche in der Schweiz nicht produziert werden, etwa bei Kaffee oder Schoggi.
  • Der wesentliche Verarbeitungsschritt des Lebensmittels erfolgt in der Schweiz.

Im Schweizer Markenrecht ist es ebenso

Im Markenrecht ist überdies die Rechtsprechnung klar. Ein Lozärner Bier darf sich nicht so nennen, wenn es nicht in Luzern gebraucht wird, so die Rechtsprechnung.

Der Hersteller des «Lozärner Bier» muß nach einem Bundesgerichtsurteil künftig gut erkennbar auf der Etikette angeben, daß das Bier in Schaffhausen gebraut und abgefüllt wird.

Das Eidg. Institut für Geistiges Eigentum handelt ebenso: Wer sich z. B. Bündner Wurst als Marke eintragen lassen will kriegt die Auflage, daß er nur Bündner Zutaten nehmen darf. Anders Coop, die Bündner Bramata verkauft, deren Mais zu 100% aus der EU stammt. Angeblich bekäme sie in der Schweiz nicht genügend Mais, daher sei diese Ausnahme erlaubt.

Das Bundesgericht zum Entscheid

Das Bundesgericht erläutert zum Urteil, daß nicht automatisch Thomas Minder wieder Ständerat werden würde. Es schreibt zum Fall unter anderem:

Der Schaffhauser Regierungsrat muß eine Neuwahl ansetzen.

Simon Stocker wurde im Kanton Schaffhausen am 19. November 2023 im zweiten Wahlgang zum Ständerat gewählt. Der Regierungsrat und das Obergericht wiesen dagegen erhobene Stimmrechtsbeschwerden ab; darin war geltend gemacht worden, dass Simon Stocker bei der Wahl keinen Wohnsitz im Kanton Schaffhausen gehabt habe.

Das Bundesgericht heißt die Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts gut. Da Simon Stocker am Wahltag keinen politischen Wohnsitz im Kanton Schaffhausen hatte, erfüllte er die entsprechende strikte kantonalrechtliche Voraussetzung zur Wählbarkeit als Ständerat nicht.

Die Wahl wird deshalb aufgehoben. Gemäß der Verfassung des Kantons Schaffhausen sind in den Ständerat wählbar alle im Kanton wohnhaften mündigen bzw. volljährigen Schweizerinnen und Schweizer.

Zeitlich sind dabei die Verhältnisse am Wahltag maßgebend. Der Wohnsitz einer Person liegt dort, wo sich ihr Lebensmittelpunkt befindet, was sich nach der Gesamtheit der objektiven, für Dritte erkennbaren Tatsachen beurteilt. Im konkreten Fall ist zwar ersichtlich, dass Simon Stocker mit der Anmeldung in der Stadt Schaffhausen seine politischen Rechte in Schaffhausen wahrnehmen und auch den Wohnsitz mit seiner Familie in naher Zukunft von Zürich nach Schaffhausen verlegen wollte.

Am Wahltag hatte er seinen Lebensmittelpunkt indessen noch nicht nach Schaffhausen verlegt.

Vielmehr wohnte und arbeitete er primär in der Stadt Zürich und lebte dort auch vorrangig die Beziehung zu seiner Frau und seinem Kind.

Aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauens wird die Wahl von Simon Stocker zum Ständerat mit Wirkung ab dem Urteil des Bundesgerichts aufgehoben und nicht auf den Zeitpunkt seiner Wahl.

Die Entscheide, an denen er mitgewirkt hat, werden allein aufgrund der Ungültigkeit seiner Wahl weder nichtig noch anfechtbar.

Weiter bedeutet der Entscheid des Bundesgerichts nicht, daß nun Thomas Minder zum Ständerat erklärt wird, der 2023 bei den Schaffhauser Ständeratswahlen am zweitmeisten Stimmen erhielt.

Das kantonale Recht regelt den vorliegenden Fall nicht; bei der Ständeratswahl nach Schaffhauser Recht handelt es sich um eine Mehrheits- und damit um eine Persönlichkeitswahl.

Es rechtfertigt sich deshalb ein Rückgriff auf den Grundsatz, daß für ausscheidende Mitglieder normalerweise Nachwahlen durchgeführt werden.

Der Regierungsrat wird damit für die Besetzung des nunmehr vakanten Schaffhauser Ständerats – sitzes eine Neuwahl ansetzen müssen.

Remo Maßat

(Foto: Parlament.ch)

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